Die Weisenbacher Femekreuze
von Franz Wieland - 7. Mai 1952
Nah beisammen, wie Geschwister,
an der Wäng zwei Kreuze stehen,
worin man nach ihren Zeichen
Femekreuze darf ersehen.
Nicht so hoch wie Friedhofskreuze
sie aus jener Zeit berichten,
wo die Feme im geheimen
mußte oft Verbrecher richten.
War der Herrscher außer Landes
oder war er sonstwie schwach,
nahmen zu Gewaltverbrechen,
da half dann die Feme nach.
Ihre Richter hießen Schöffen,
die sich nachts zusammenfanden,
immer auf den gleichen Plätzen,
wo drei niedre Kreuze standen.
Hier im abgelegnen Murgtal
über manchen Bösewicht
die Murgschifferschaft als Feme
hielt wohl anfangs streng Gericht.
Ja, man ist sogar der Ansicht,
nur kann man es nicht beweisen,
daß die Schifferschaft im Anfang
habe Schöffenschaft geheißen.
Auf dem Weisenbacher Platze
früher auch drei Kreuze standen,
so wie sie an andern Orten
alle drei noch heut vorhanden.
Ein Kreuz zeigt stets eine Sohle,
die symbolisch meint das Leben,
das der Mensch abläuft auf Sohlen
und zur Sühne mußt’ hingeben.
Eine Schere zeigt das zweite,
die gleichsam den Lebensfaden
der Verbrecher hat durchschnitten
für besonders schlimme Taten.
Auf dem dritten Kreuze endlich
dargestellt ein Beil man findet,
das die Macht der Femeschöffen
über Tod und Leben kündet.
Auf dem einen hiesigen Kreuze
sind zwei Beile gut zu sehen,
und darüber tut ganz deutlich
eingezeichnet „Gott“ noch stehen.
Denn im Namen Gottes wurde
jederzeit noch Recht verkündet.
So ’s auch die Geschwornen taten,
die zur Schöffenschaft verbündet.
Auch das zweite trägt ein Zeichen,
doch verwischt sind die Konturen.
Ist ’s ne Sohle, ist ’s ne Schere?
Zu undeutlich sind die Spuren.
Wo das dritte Kreuz geblieben?
Wo der Richtplatz einst gewesen?
Davon fehlt uns jede Kunde!
Nirgends ist davon zu lesen.
Möglich, daß die Steine ehmals
an dem Fuß des Kapfes standen,
an dem Platz, den unsre Vorfahrn
später dann „Steinäcker“ nannten.
Steine gibts auf allen Äckern.
’s waren wohl besondre Steine,
die dem Platz den Namen gaben;
so kommt man vielleicht ins Reine!
Da das Wort „Kapf“ noch bedeutet,
wie von anderwärts wir wissen,
zweifellos „Hinrichtungsstätte“,
wir uns wohl was reimen müssen.