Die drei Wetterlärchen auf der Steinedeck

von Franz Wieland - 21/23. Juni 1945

Eng geschmiegt auf kahlem Berghang 
dort drei Lärchen einzeln stehen, 
die von Weisenbach, dem Dörflein, 
sind besonders gut zu sehen. 
An Johanni müdgewandert, 
legt ich mich zu ihren Füßen 
und fand bald im Abenddämmern 
tiefen Schlummer, wirklich süßen.

Da! Was war das? Hört ich Raunen? 
Oder wars nur Windesrauschen? 
Konnten denn die Bäume reden? 
Träumend fing ich an zu lauschen. 
„Hundert Jahr alt sind wir nunmehr“, 
hört die eine Lärch’ ich sagen, 
„dürfen drum auch heute sprechen, 
uns erzählen und auch klagen.“

„Weißt Du noch“, hob an die andre, 
„wie wir in der Baumschul’ standen, 
unter vielen andern Bäumchen, 
die wir alle, alle kannten? 
Dort wir kleinen Lärchen lebten 
neben Tannen, Eichen, Buchen, 
bis der Förster eines Tages kam, 
um uns herauszusuchen.“

„Hier am Berghang auf der Höhe 
hat man uns neu eingebettet, 
wo wir seitdem mußten stehen, 
wurzelstark wie angekettet. 
An der sonn’gen Fläche wuchsen 
Heidelbeeren bald in Mengen, 
und wir sahen viel Erwachs’ne 
und viel Kinder sich drum drängen.“

„Als wir meterhoch dann waren, 
hieb man viele der Gefährten, 
die als Weihnachtsbäume dienten, 
wenn die Kinder sie bescherten. 
So ward’s um uns wieder lichter, 
’s wuchsen Himbeer’, Brommelbeeren, 
die die Menschen eifrig suchten, 
sie zu Hause zu verzehren.“

„Als wir größer, wählte aus man 
Holz zu Leitern und zu Stangen, 
und gar manche Nachbarlärche 
hat die Todeswund’ empfangen. 
Ach, gar viele der Genossen 
nach und nach um uns verschwanden. 
In die breiten Zwischenräume 
wieder Sonnenstrahlen brannten.“

„Luft und Licht sie wirkten Wunder, 
rasch wir wuchsen in die Höhe, 
und zu unsren Füßen sahen wir 
oft Wild: Hirsch’ , Füchs’ und Rehe. 
Vögel bauten ihre Nester 
gern auf unsre starken Äste. 
Ach, wie liebt ich das Gezwitscher 
und Gekrächz’ der muntern Gäste.“ 

„Und erinnerst Du Dich auch noch”, 
fuhr die Redesel’ge weiter, 
„wie ein Liebespaar da unten 
war so ausgelassen heiter! 
Andre waren wieder ernster, 
sprachen nur von Lieb und Treue, 
doch gab’s auch, die sich sehr zankten 
und sich dann verschwor’n aufs neue.“ 

„Nun“, begann die dritte Lärche, 
die bisher sich ausgeschwiegen, 
„wollen hoffen, daß sie alle 
hatten recht viel volle Wiegen. 
’s war für uns ja äußerst peinlich, 
all dem still zusehn zu müssen, 
wo man doch auch nicht von Stein war 
und auch gern mal mochte küssen.“

„Ich“, fiel ein die Redesel’ge, 
„lernt auf diese Weise kennen 
viele von dem Dorf da unten, 
das sich Weisenbach tut nennen. 
Sind mir recht ans Herz gewachsen 
diese biedern fleiß’gen Leute; 
wurzelstark und bodenständig 
war’n sie früher schon wie heute.“

„Als wir etwa achtzig Jahre“, 
unterbrach die erste wieder, 
„legten dann die Waldarbeiter 
rasch den ganzen Hochwald nieder, 
und die mächt’gen Tannenstämme 
bestes Nutz- und Bauholz gaben; 
’s wollen immer wieder Menschen 
Häuser und auch Möbel haben.“

„Ja, nur wir drei Wetterlärchen 
einsam hier noch blieben stehen. 
Nicht mehr lange wird es dauern, 
bis wir werden auch vergehen. 
Schon vielleicht der nächste Sturmwind 
kann rasch unser Leben enden. 
Doch das ist ja so Bestimmung; 
niemand kann dies Schicksal wenden.“

Kühle weckte mich vom Schlummer, 
aufwacht’ ich aus meinem Traume, 
Geisterstunde war vorüber, 
still wars rings im weiten Raume. 
Hört’ kein Raunen mehr noch Sprechen, 
nur ein leises Windesrauschen. 
Nein, ich möchte nicht um alles 
mit den Wetterlärchen tauschen!

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