Der Gernsbacher Zwergenpfennig

von Franz Wieland

Der Wächter am Gernsbacher Stadttor erwacht’;
er hörte ein Rufen um Mitternacht,
und als von der Mauer er leuchtet hinab,
da war’s ihm, als ständ’ überm Graben ein Knab’.
Ein dünnes, bittendes Stimmlein er hört.

„Verzeiht, daß ich Euch so spät noch gestört.
Vom Gernsberg einer der Zwerge bin ich.
Ich bitte um Hilfe, doch nicht für mich.
Die Fürstin des Stamms ist in großer Not;
ein Kind sie erwartet; es droht ihr der Tod.

Wir brauchen den Beistand der weisen Frau.
Gar reich wird der Lohn; ich weiß es genau.
Drum holt doch die Frau mir! O Mann, rasch geht,
damit ihre Hilfe nicht kommt noch zu spät.

Der Wächter die Hebamme bald hatte zur Hand;
Der Zwerg mit ihr gleich im Dunkeln verschwand.
Ein zierlich Laternlein schwenkte der Wicht;
es warf umher nur ein kümmerlich Licht.

Bergauf ging’s im Zickzack, mit Absicht wohl gar,
bald wußte die Frau nicht mehr, wo sie war.
An einem sehr steilen Felsanhang
sich öffnete ein gar finsterer Gang;
der ging zu einem hellen Saal,
wo Zwerge waren ohne Zahl.

Aus einem kleinen Seitenzimmer
die Hebamm’ hörte leis’ Gewimmer.
Da lag auf weißem Himmelbett
die Zwergenfürstin jung und nett.


Als dann die Frau getan ihr Werk,
und munter schrie ein winz’ger Zwerg,
froh hüpften rum die kleinen Leute
und zeigten kindisch ihre Freude.
Sogleich bekam der Zwergenprinz
den vorbestimmten Namen Hinz ...

Da nahte sich ein Zwerg auch schon
und gab der weisen Frau den Lohn.

Doch die Enttäuschung war sehr groß;
es war ein rheinischer Pfennig bloß.
Obwohl der damals galt vielmehr,
betrübte das die Frau doch sehr.

Sie sprach: „Drei Batzen ist der Brauch,
und was der Brauch ist, will ich auch.
Dazu hab’ ich noch in der Nacht
den weiten Weg hierher gemacht.

Ich muß den Weg nochmal zurück.
Das ist fürwahr ein starkes Stück,
daß man mich auf so billige Weise
mit diesem Pfennig hier abspeise.“
Doch listig lächelnd sprach der Zwerg.

„Der Lohn entspricht schon Eurem Werk!“
Dann raunte er ihr zu versöhnlich :
„Der Pfennig hier ist nicht gewöhnlich.“
„Er ist ein ganz Vermögen wert,
und Ihr ihn fortan sicher ehrt.

Bei ihm wird stets ein zweiter sein,
bewahrt Ihr das Geheimnis fein.
So Euer Beutel wird nie leer,
und Sorgen habt Ihr nimmermehr.“
Und was er sagte, wurde wahr.

Es war ein Pfennig wunderbar.
Nie es der Frau am Gelde fehlte ,
doch das Geheimnis sie sehr quälte,
und als sie starb, sagt’ sie’s den Erben.
Da ging das ganze Glück in Scherben.
Der Zwergenpfennig war verschwunden,
und niemand hat in mehr gefunden. 

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